19. Bildstöcke zur Düvelscheidt
Vor 320 Jahren wurden vom Platz der heutigen Bergkapelle aus über den Haasberg nach Düvelscheidt (ungefähr der Standort des Pfadfinderhauses La Rocca/ehemals Jugendheim Unterstadt) Bildstöcke mit
den Abbildungen aus der Leidensgeschichte Jesu Christi angebracht. An der Südseite der Bergkapelle ist lange Zeit noch eine Reliefplatte aus dieser Epoche erhalten geblieben.
Man nannte diese Heiligenhäuschen auch Fußfälle. Es waren Vorläufer der heutigen Kreuzwegstationen und Aufbauten mit plastischen Darstellungen aus der Leidensgeschichte, vor denen das Volk zu
Füßen zu fallen und zu beten pflegte, wie es die Palästinapilger an den traditionellen Stätten des wirklichen Leiden taten. Die an der Südseite der Bergkapelle eingemauerte und um 1900 ersetzte
Kreuzigungsgruppe war vielleicht das letzte Überbleibsel davon. Heute erinnert noch eine Darstellung der Grablegung Christi an der rückseitigen Außenfront der Kapelle an diese Frühform des
Kreuzwegs.
Unweit der heutigen Bergkapelle wurden diese Bildstöcke in der üblichen Siebenzahl errichtet. Von deren Verehrung stammt auch der Eupener Ausdruck: für einen Kranken »de sövve Foutfäll besöke«.
Die Zeit, wann die Fußfälle »gegangen« wurden, war nicht überall gleich. Gewöhnlich geschah dies während des Todeskampfes eines Sterbenden bzw. nach dem Hinscheiden. In der Regel führten sieben
Mädchen verschiedenen Alters diese Gänge aus. Auf dem Eupener Friedhof steht vermutlich noch ein vollständig erhaltener Fußfall aus dem Jahre 1689. Er ziert die Grabstätte einer bekannten Eupener
Familie.
Hintergrund
Der Gang zu den Sieben Fußfällen ist eine der ältesten Formen des Kreuzwegs. Von Jerusalempilgern im späten Mittelalter ins Rheinland vermittelt, stellte er einen Bittgang durch die Dorfstraßen
oder die Flur dar, wobei an sieben Flurkreuzen, Kapellen oder Heiligenhäuschen, den sogenannten Fußfällen, jeweils einer Station des Leidensweges Christi in Jerusalem betend gedacht wurde.
Mancherorts haben sich eigens für den Gang gestiftete Bildstöcke, Passionsszenen darstellend, erhalten.
Seinen Namen erhielt der Bittgang von der Gewohnheit, sich an den einzelnen Stationen mit beiden Knien gleichzeitig zu Boden fallen zu lassen. Die sieben Stationen wurden aber ebenso mit den
sieben Hauptkirchen der Stadt Rom in Verbindung gebracht, in denen sich in der Karwoche der päpstliche Stationsgottesdienst vollzieht, woraus sich auch der mancherorts übliche Begriff
„Römerfahrt“ herleitet. Man kann im heute üblichen Kreuzweggebet mit seinen 14 Stationen eine Verdopplung der sieben Stationen der Fußfälle bzw. der Römerfahrt sehen.
200. Looß de sebbe Krützer gohn!
In der Barockzeit, Ende des 17. und im Verlaufe des 18. Jahrhunderts, in der das religiöse Leben im Volke aufblühte, entstanden auch im ostbelgischen Raume eine Reihe von sogenannten Heiligenhäuschen. Mit Heiligenhäuschen bezeichnet man ein im Freien stehendes einfaches Bauwerk religiöser Art von 1,5 bis 2,5 m Höhe, das in den meisten Fällen nach Pfeilerart von unten bis oben ungefähr gleich breit und in den Hauptteilen aus behauenem Blaustein aufgeführt ist. Da die meisten an Wegen oder an Wegekreuzungen aufgestellt sind, haben sie nur eine Vorderseite mit einer durch ein Eisengitter verschlossenen Nische. Die Bauern hatten für diese Heiligenhäuschen die Bezeichnung Fußfälle. Fußfall bedeutet eigentlich nur das Knien vor einer Darstellung Christus‘ mit der Dornenkrone, oder vor einem ähnlichen Bilde, das auf die Leiden Christi hinwies. Die Fußfälle sind die älteste Form des Kreuzweges.
Die Orte, an denen diese bildlichen Darstellungen sich befanden, waren verschieden. Zum Teil befanden sich in kleinen Nischen an der Innenseite der Umfassungsmauern der Kirchhöfe oder auf der Mauer aufgestellten Kreuzen. Nicht selten waren die Fußfallkreuze im ganzen Dorf verteilt.
Die Zeit, wenn die Fußfälle „gegangen“ wurden, war nicht überall gleich. An vielen Stellen geschah es während des Todeskampfes eines Sterbenden, an anderen erst nach dem Verscheiden. In der Regel führten sieben Mädchen verschiedenen Alters die Gänge aus, doch wurde die Zahl sieben nicht unbedingt eingehalten, und es konnten auch Frauen dazu genommen werden; in der Eifel auch sieben größere Schulmädchen, denen dann der Auftrag mit den Worten gegeben wurde: „Looßt de sebbe Krützer gohn!“
Die Frauen oder Mädchen besuchten dann bestimmte Wege- oder Feldkreuze, Heiligenhäuschen, Bildstöcke oder, wo solche vorhanden waren, die eigens zu diesem Zwecke aufgestellten Fußfallkreuze, im ganzen sieben, wobei die letzte Station gewöhnlich in der Kirche oder Kapelle gegeben wurde.
In Eupen gab es seit April 1689 sieben solcher steinernen „Fußfälle“. Sie zogen sich hin vom Platze der heutigen Bergkapelle bis zur Düvelscheidt, über den Haasberg, wo auch um 1850 noch einer zu sehen war. Die an der Südseite der Bergkapelle eingemauerte und um 1900 ersetzte Kreuzigungsgruppe war vielleicht der letzte Rest davon. In einigen Gegenden gingen die Frauen die sieben Fußfälle, wenn der Sterbende oder Verstorbene verheiratet war, während bei Unverheirateten sieben Jungfrauen diese Gänge besorgten. Mit den Gebeten begann man meistens schon im Sterbehause. Dort erhielten die Beterinnen nach dem Gang den Kaffee, mancherorts nahmen sie auch nach der Beerdigung am Totenkaffee teil. Solche und ähnliche Nebengebräuche bestehen in verschiedenen ländlichen Orten noch heute. Diese Volksandacht hielt sich bis ins 20. Jahrhundert hinein.